Der Staat finanziert ein engmaschiges Netz privater Meldestellen gegen „Hass und Hetze“. Damit wird gezielt das Denunzieren auch nicht strafbarer Meinungen gefördert. Ein Staat, der seine Bürger einschüchtert, ist aber kein echter demokratischer Staat mehr.
Meldestellen sind in Mode. In den meisten Bundesländern gibt es inzwischen zahlreiche Meldestellen, bei denen Bürger „Hass und Hetze“ melden können. Durch die Meldung werden staatliche Instanzen aktiviert, die gegen die gemeldeten Inhalte vorgehen. Eine kürzlich in Kraft getretenen Verordnung der EU – der Digital Services Act (DSA) – gibt dem Meldewesen noch einmal neue Impulse. Sie führt „Trusted Flaggers“ ein, staatlich zertifizierte Meldestellen, die den Kampf um ein sauberes Internet forcieren sollen. Das fördert Denunziationen und etabliert eine Verdachtskultur. Für die Demokratie ist das hoch gefährlich.
Grundsätzlich sind Meldestellen nichts Neues. Es gab sie schon immer. Wer Straftaten anzeigen wollte, konnte das bei der Polizei tun – oder beim Finanzamt. Bei Kindesmisshandlungen in der Nachbarschaft war es möglich, das Jugendamt einzuschalten. In den letzten Jahren verändert sich aber etwas Entscheidendes. Es werden spezielle Meldestellen etabliert, die aus privaten Organisationen bestehen, die aber vom Staat intensiv gefördert werden.
Der Staat beginnt, das ganze Land mit einem engmaschigen Netz solcher Agenturen zu überziehen. Wer im Internet Inhalte entdeckt, die er für „Hass und Hetze“ hält, kann diese mit wenigen Mausklicks an Meldestellen weitergeben, die dann für die Beseitigung sorgen und die Bestrafung der Urheber in die Wege leiten. Melden – oder Denunzieren? – wird extrem erleichtert. Das wirkt harmlos. Immerhin geht es darum, „Hass und Hetze“ zu bekämpfen. Ist das nicht etwas Gutes? Nein, das ist es nicht. In Wirklichkeit legt diese Politik die Axt an die Wurzel der Demokratie.
Einschüchterung und Demokratie
Echte Demokratie basiert auf der Freiheit. Freie Bürger bilden sich eine freie Meinung durch einen freien Diskurs. Dieses urdemokratische Modell führt – so jedenfalls die Theorie – zu guten Lösungen. In der freien Diskussion kommen alle möglichen Aspekte eines Themas zur Sprache. Das soll garantieren, dass nichts übersehen wird und alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Weil alle in Freiheit mitreden dürfen, hat die gefundene Lösung auch eine hohe Legitimation. Auch wer überstimmt wird, hat seine Interessen einbringen können. Das fördert die Akzeptanz der so gefundenen Lösungen. Kurz: Wer die Chance hat, mitzugestalten, hält sich auch an die Gesetze. Natürlich ist es wie immer: Die Praxis entspricht dem schönen Modell nicht vollständig, vielleicht sogar nur ein bisschen. Aber eines ist sicher: Ohne Freiheit ist es keine Demokratie.
Echte Demokratie braucht auch Demokraten. Nur freie Bürger mit einem Minimum an Zivilcourage können auch dem Mainstream, der herrschenden Meinung widersprechen. Das ist nötig, sonst ist es kein freier demokratischer Diskurs. Eingeschüchterte, duckmäuserische Untertanen können das nicht. Deshalb ist eines klar: Angst ist Gift für die Demokratie. Ein Staat, der einschüchtert, ist kein echter demokratischer Staat.
Denunziation oder Demokratie
Die zahlreichen Meldestellen machen Anzeigen kinderleicht. Sie ermutigen sogar dazu. Das gilt vor allem für die Meldestellen, bei denen man Hass und Hetze melden kann – und melden soll. Wer meldet, kann dies mit dem guten Gefühl tun, etwas Gutes für die Allgemeinheit getan zu haben. Er bekämpft „Hass und Hetze“. Aber was ist das eigentlich, Hass und Hetze? Dafür gibt es keine allgemeingültige Definition. Es ist ein vollkommen offener, unscharfer Begriff. Das hat eine problematische Folge: Alles, was irgendjemand für „Hass und Hetze“ hält, kann gemeldet werden – und wird auch gemeldet. Jeder, der sich etwas heftiger, temperamentvoller oder – horribile dictu – gar polemisch äußert, kann gemeldet werden. Das ist eines Rechtsstaats unwürdig. Der Rechtsstaat kennt den Bestimmtheitsgrundsatz. Der Staat muss klar und bestimmt festlegen, was er von seinen Bürgern will. Schwammige, unscharfe Regelungen und Begriffe sind ihm verboten. Das schützt die Freiheit der Bürger. Denn Bürger, die nicht wissen, welche Grenzen das Recht zieht, werden ängstlich und übervorsichtig – und schränken sich in ihrer Freiheit ein.
Die Kombination von zahlreichen Meldestellen und dem unscharfen Begriff von Hass und Hetze ist geradezu eine Einladung zur Denunziation. Wer missgünstig, neidisch, eifersüchtig oder einfach böse ist, meldet – denunziert – wegen Kleinigkeiten, die man aber als Hass und Hetze deklariert.
Denunziation ist böse. Sie zerstört eine Gesellschaft und die Demokratie. Eine Gesellschaft, in der Denunziationen erleichtert und ermutigt werden, wird tief gespalten. Jeder, auch der Denunziant selbst, muss permanent befürchten, wegen irgendetwas, das als Hass und Hetze etikettiert wird, angezeigt zu werden. Das schüchtert ein und macht vorsichtig und misstrauisch. Das zeigen historische Erfahrungen: Eine Denunziationskultur zerstört den gesellschaftlichen Zusammenhalt – und die Demokratie. Deshalb sind es totalitäre oder autoritäre Staaten, die zur Denunziation ermuntern. Wie um Himmels willen kann das hier in Europa sein?
Rahmenbedingungen: Anzeigen und Verfassungsschutz
Die Forcierung der Meldestellen findet nicht im luftleeren Raum statt. Sie ist ein passgenauer Mosaikstein der repressiven Ampel-Politik, die Meinungsfreiheit und Demokratie unter Druck setzt. Die Ministerinnen Faeser und Paus kündigen an, dass man auch Meinungsäußerungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze als Hass und Hetze verfolgen müsse. Die Innenministerin scheut sich nicht, ihre Sicherheitsbehörden dazu einzusetzen. Der willfährige Präsident des Verfassungsschutzes droht denn auch gleich, man müsse sich das Reden und das Denken der Menschen anschauen. Noch nicht mal die Gedanken sollen frei sein?
Flankiert wird das mit einer Welle von Anzeigen, die Politiker gegen kritische Bürger erstatten. Einige Politiker sollen mehrere hundert Anzeigen erstattet haben. Der banale Grund: Scharfe Kritik, die sich manchmal vielleicht auch im Ton vergreift. Seit wann ist das ein Grund für eine Strafanzeige? Erträgt die Politik keine Kritik mehr, die in einer Demokratie auch mal heftig sein kann – sogar muss? Harte Kritik an den Mächtigen – das ist die Essenz von Demokratie. Ohne sie gibt es keine demokratische Kontrolle der Macht – und keine echte Demokratie. Man kann es nicht anders sagen: Die aktuelle Politik schüchtert die Bürger ein.
Krise der Demokratie
Im Augenblick wird über eine Regierungskrise gesprochen. Die Lage ist viel schlimmer. Wir schlittern in eine Krise der Demokratie. Eine Demokratie braucht Freiheit und Vertrauen. Die Bürger müssen der Regierung vertrauen können. Alle Umfragen zeigen, dass das Vertrauen der Bürger in die politischen Institutionen in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgeht. Genauso wichtig ist das Vertrauen der Bürger untereinander. Immerhin müssen sie in einer Demokratie miteinander kooperieren – und zur Not aushalten, dass sie von ihren Mitbürgern überstimmt werden. Ohne ein Minimum an Vertrauen in die Kompetenz und den guten Willen der Mitbürger geht das nicht. Unter dem Deckmantel eines Kampfes gegen Hass und Hetze etabliert die Politik eine Denunziationskultur und schüchtert die kritischen Bürger ein. Die Freiheit stirbt zentimeterweise, sagt man zu Recht. Wie wir gerade sehen, gilt das auch für die Demokratie. Es wird Zeit, dass wir achtsam werden und die Freiheit und die Demokratie verteidigen.
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