Deutschland

Digitalisierung der Stromnetze: Regierung will Bürger totaler Kontrolle unterwerfen

Digitalisierung der Stromnetze: Regierung will Bürger totaler Kontrolle unterwerfen
Totale Kontrolle der Bürger: Stromkunden sollen kontinuierliche Datenlieferanten werden

Die Bundesregierung will die Digitalisierung der Stromnetze durch den Einbau von Smart Metern – digitalen Stromzählern – mit einem neuen Gesetz vorantreiben. Endverbraucher würden dadurch zu kontinuierlichen Datenlieferanten. In anderen Ländern wird bereits die Fernabschaltung von elektrischen Geräten oder ganzen Anschlüssen mittels Smart Metern durch Stromnetzbetreiber vorgenommen.

von Andreas Heyer

Im Januar beschloss die Bundesregierung den Entwurf für ein „Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende“, das in den kommenden Monaten durch den Bundestag gebracht und danach in Kraft treten soll. Die erste Beratung dazu im Parlament fand am 10. Februar statt. Durch das Gesetz soll die Einführung von Smart Metern beschleunigt werden, die an Stelle der klassischen Stromzähler bei Endverbrauchern verbaut werden. Der Einbau von Smart Metern soll sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes vorangetrieben und ab 2025 sogar verpflichtend werden für Endkunden mit einem Verbrauch von mehr als 6000kWh/Jahr beziehungsweise mit einer installierten Photovoltaikanlage über 7kW Leistung. Bis 2030 wird der Umbau in ein digitalisiertes Stromnetz angestrebt, bis 2032 muss jeder Haushalt mit Smart Metern ausgestattet sein.

Smart Meter messen nicht nur – wie klassische Stromzähler – den Verbrauch, sondern sie können in Verbindung mit einer Kommunikationseinheit (Smart-Meter-Gateway) in Echtzeit den Stromverbrauch digital an die Energieversorger über Funk oder Kabel übermitteln und angeschlossene Verbraucher fernsteuern.

Vorgesehen ist in Zukunft auch der Anschluss von smarten Gas- und Wasserzählern. Der Einbau von Smart-Meter-Gateways wird deshalb als wichtiger Baustein für das Konzept „intelligenter Energienetze“ (Smart-Grid) gesehen, bei der die Energieinfrastruktur durch umfassende digitale Vernetzung in Echtzeit zentral steuerbar und für die beabsichtigte „Energiewende“ umgebaut werden soll. Ab 2025 sollen nach dem Gesetzentwurf Stromlieferanten dazu verpflichtet werden, Endkunden mit bereits installierten Smart Metern einen „dynamischen Strompreis“ anzubieten, der den Stromverbrauch zu Spitzenlastzeiten verteuert und zu Zeiten mit nur geringem Verbrauch verbilligt.

Gegenüber Endverbrauchern wird für den Umstieg von herkömmlichen Stromzählern zu der netzbasierten Technologie damit geworben, dass sie auf dem Smartphone in einer App ihren Stromverbrauch überwachen und durch Nutzung der dynamischen Stromtarife die stark gestiegenen Stromkosten wieder reduzieren könnten, indem sie elektrische Geräte nur dann betrieben, wenn gerade eine ausreichende Menge Strom im Netz zur Verfügung stehe.

Vorbereitung des Gesetzentwurfs mit der Digitalindustrie

Wirtschaftsminister Habeck diskutierte im Oktober 2022 mit Vertretern der Digitalindustrie bei einer Veranstaltung des „Future Energy Lab“ der Deutschen Energieagentur, wie durch eine beschleunigte Einführung der Smart-Meter-Gateways (SMGW) ein digitales Energiesystem möglichst schnell aufzubauen sei. Das Online-Portal heise.de zitierte Habeck bei der Veranstaltung so:

„Wir bauen quasi militärische Technik ein in unser Energiesystem’, begründete der Minister sein Vorhaben. Es bestünden zwar in der Bevölkerung teils Ängste, dass etwa der Staat über ein SMGW auslese, ‘welches Fernsehprogramm ich gucke’. Das wäre anhand der Pixeldichte zwar theoretisch sogar möglich. Die Debatte über ‘Spionagezähler’ mute ihm aber seltsam an, wenn Nutzer gleichzeitig ‘alle privaten Bilder bei Facebook reinhängen.“

Bereits im 2016 verabschiedeten Gesetz zur „Digitalisierung der Energiewende“ war vorgesehen, dass Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch über 6000 kWh/Jahr zum Einbau von Smart-Metering-Systemen verpflichtet würden, sobald die Technologie zur Verfügung stehe. Die Feststellung der technischen Verfügbarkeit erfolgt durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Das BSI bekam durch den Gesetzgeber auch die Aufgabe übertragen, einen gewissen Schutz der Datensicherheit vor Cyberangriffen bei zertifizierten Geräten sicherzustellen. Bislang wurden vom BSI vier Anbieter von SMGW zertifiziert.

Das BSI stellte die Verfügbarkeit der Technologie im Januar 2020 fest, so dass bereits dann die gesetzliche Verpflichtung zum Rollout innerhalb von acht Jahren in Kraft treten sollte. Doch im März 2021 stoppte das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht per Eilverfügung die Pflicht zum Einbau von Smart Metern wieder, was wiederum vom BSI durch eine Übergangsregel gekontert wurde.

Minister Habeck und die Vertreter der Digitalindustrie waren sich auf der Veranstaltung einig, dass die stockende Einführung der Smart Meter nun durch einen neuen Gesetzentwurf möglichst schnell beschleunigt werden müsse. Auf der genannten Veranstaltung stellte ein Unternehmen dar, dass es seine Geräte in Zusammenarbeit mit mehreren Stadtwerken als „Voll-Rollout“ einbaue. Dabei würden Straßenweise die alten Stromzähler in ganzen Stadtteilen ausgebaut und durch die Smart-Metering-Systeme des Herstellers ersetzt. Der Vertreter eines anderen Unternehmens betonte, dass Smart Meter mit Funkmodul der aktuelle Stand der Technik seien und man in Zukunft auch die Wärme- und Wasserzähler an die Smart-Meter-Gateways anschließen könne.

Verbrauch lässt Rückschlüsse auf Nutzung zu

Gemäß dem aktuellen Gesetzentwurf ist es zunächst vorgesehen, mit den Smart Metern den Energieverbrauch bei den Endkunden in Intervallen von 15 Minuten zu messen und an die Messtellenbetreiber zu übermitteln. Grundsätzlich wäre die Technologie jedoch auch in der Lage, in Echtzeit den Energieverbrauch zu erfassen und zu übermitteln und damit Rückschlüsse auf das Nutzungsverhalten der Verbraucher zu ziehen. In einer Studie der Fachhochschule Münster aus dem Jahr 2011 wurde nachgewiesen, dass anhand der von Smart Metern übermittelten Daten die Aktivitäten von Kühlschrank, Herd und TV-Geräten aus den Daten rekonstruierbar waren. Anhand des Verbrauchsprofils seien sogar Rückschlüsse auf das geschaute Fernsehprogramm möglich gewesen.

Die im Gesetzentwurf bislang vorgesehene Übermittlung von Verbrauchsdaten in 15-Minuten-Intervallen scheint diese detaillierte Überwachung der elektrischen Aktivitäten in Haushalten in der ersten Ausbaustufe nicht zu ermöglichen. Doch die Einführung der Telematikinfrastruktur zur Digitalisierung des Gesundheitssystems hat gezeigt, dass die neue Digitalinfrastruktur zunächst mit einfachen Funktionen eingeführt wurde, gegen die sich nur wenig Widerstand formierte. Im Laufe der Jahre wurde dann durch Updates der Funktionsumfang der bereits installierten Infrastruktur deutlich erweitert. Eine ähnliche Einführungsstrategie bei der Digitalisierung der Energiesysteme ist denkbar. Deshalb sollen im Folgenden Ausbaustufen und Anwendungsfelder dieser Technologie in anderen Ländern betrachtet werden.

Fernabschaltung wird in anderen Ländern eingesetzt

Zwar sehen die Anforderungen des BSI an die bisher zertifizierten Smart-Meter-Gateways keine Fernabschaltfunktion vor, im Gesetzentwurf wird aber festgelegt, dass die eingebauten Smart-Meter-Gateways bis spätestens 2025 durch Anwendungsupdates über weitere Funktionen wie Protokollierung, Übermittlung von Stammdaten und Fernsteuerbarkeit verfügen müssen (Entwurf §31 Messstellenbetriebsgesetz).

In Frankreich schaltet der Stromnetzbetreiber enedis bereits seit Oktober 2022 die mit einem intelligenten Messsystem ausgestatteten Warmwasserboiler von 4,3 Millionen Stromkunden zwischen 12 Uhr und 14 Uhr ab. In dieser Spitzenlastzeit können die Kunden kein neues Warmwasser mehr bereiten, womit man 2,4 GWh habe einsparen können, was der Leistung von zwei Atomkraftwerken entspräche, so der Netzbetreiber. Dies hat für die Betreiber den Vorteil, dass sie für Spitzenlastzeiten weniger Kraftwerke betreiben müssen. Für Verbraucher ist der Vorteil die Kosteneinsparung, da die Boiler in dem für die Kunden bereits eingeführten dynamischen Tarifsystem nicht mehr zu den teuersten Zeiten betrieben werden könnten, sondern Warmwasser zu den günstigen Strompreisen in Zeiten mit geringer Netzauslastung bereiteten. Auch wird auf die geringere Black-Out-Gefahr für die Verbraucher hingewiesen, wenn einige Geräte gezielt durch die Netzbetreiber bei knappem Stromangebot abgeschaltet werden könnten.

Im US-Bundesstaat Colorado wurden während eines „Energienotstandes“ im Sommer 2022 bei 22.000 Kunden eines Netzbetreibers die Thermostate der Klimaanlagen ferngesteuert abgeregelt, um einen Blackout zu verhindern. Ein US-amerikanischer Stromversorger hebt hervor, dass durch eingebaute Smart-Meter mit Fernabschaltfunktion viel Fachpersonal und Treibstoffverbrauch hätten eingespart werden können, die eine manuelle Abschaltung von Stromanschlüssen an der Verbrauchsstelle gekostet hätten. Die Erfahrung sei, dass man bei Massenabschaltungen genügend Personal in Call-Centern bereit halten müsse, um die Anfragen der Kunden bewältigen zu können. Ein Hersteller von Smart Metern wirbt für die Fernabschaltfunktion mit dem Argument „Klimaschutz“: Ein Energieversorger habe durch diese Funktion 5.000 Tonnen CO2 einsparen können.

In Großbritanien wird über eine steigende Zahl von Fernabschaltungen von ärmeren Stromkunden mit Smart Metern im vergangenen Jahr berichtet. Bei 152.000 Haushalten mit Smart Metern habe der Energieversorger angesichts der deutlich gestiegenen Energiepreise und drohender Zahlungsausfälle den Tarif auf ein Vorkasse-Modell umgestellt. Wenn das Guthaben der Haushalte aufgebraucht sei, schalte der Energieversorger den Stromanschluss ähnlich einfach ab wie ein Mobilnetzbetreiber die SIM-Karte eines Prepaid-Tarifs ohne Guthaben abschalten kann. In Irland ist mit dem Einbau von Smart Metern bereits seit 2018 die Fernabschaltung von Kunden möglich, die ihre Energierechnung nicht mehr bezahlen können.

Smart-Grid als Paradigmenwechsel der Energieversorgung

Das Ziel des Aufbaus eines intelligenten, digitalisierten Stromnetzes (Smart Grid) beinhaltet einen Paradigmenwechsel für die Endverbraucher, der im Zuge der öffentlichen Berichterstattung zur Energiewende wenig diskutiert wird. Von einem herkömmlichen Stromnetz, das sich als öffentliche Infrastruktur an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, wird der Übergang zu einem digitalen Stromnetz angestrebt, an das die Menschen ihr Verhalten anpassen sollen. Der Eintrag zu intelligenten Stromnetzen (Smart Grids) bei Wikipedia erläutert:

„Generell werden Netze, auch elektrische Energieversorgungsnetze, auf die mögliche Höchstbelastung ausgelegt. Die Reduktion jener Höchstbelastung und die zeitliche Verlagerung der zu übertragenden Energie in Zeiten mit geringerer Auslastung ermöglicht, die notwendige Netzinfrastruktur kleiner auszulegen, und führt dadurch zu Kostenvorteilen auf Betreiberseite.“

Die Stromnetzbetreiber müssen bislang die Energieerzeugung so ausrichten, dass die Kunden jederzeit ihre elektrischen Geräte verwenden können, wenn sie Bedarf haben. Dazu müssen die Netzbetreiber größere Kraftwerksreserven vorhalten, um auch den Stromverbrauch zu Spitzenlastzeiten abdecken zu können. Das neue Paradigma geht von einer gegebenen Menge Strom aus, die zu einem gegebenen Zeitpunkt durch „grüne Kraftwerke“ und eine abrufbare Menge aus Energiespeichern zur Verfügung gestellt werden kann. Das intelligente Netz soll durch sogenannte Lastverschiebung steuern und regeln, welche Verbraucher und Geräte angesichts der zur Verfügung stehenden Strommenge betrieben werden können.

Bei einem weiteren Ausbau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen und gleichzeitiger Abschaltung von Atomkraftwerken und Kraftwerken aus fossilen Energieträgern hängt die zur Verfügung stehende Strommenge sehr von der jeweiligen Sonneneinstrahlung und von Windverhältnissen ab. Die digitalisierten „smarten“ Stromnetze sollen den Netzverbrauch daran anpassen. Das neue Paradigma orientiert sich also an den Anforderungen technischer Systeme und politischer Vorgaben anstatt am Bedarf der Bürger. Dies kann indirekt durch finanzielle Anreize oder direkt durch An- und Abschaltung elektrischer Verbraucher durch die Steueralgorithmen des digitalen Netzes geschehen.

In einem ersten Schritt sollen die Verbraucher mittels der ab 2025 eingeführten dynamischen Strompreise „freiwillig“ dazu gebracht werden, zu Spitzenlastzeiten auf den Betrieb elektrischer Geräte zu verzichten. In Litauen werden bereits dynamische Strompreise angeboten und bei einem dortigen Stromversorger kann man die dortigen Preisschwankungen im Tagesverlauf sehen. So schwankte der Preis am 12. Januar 2023 zwischen 0,01€/kWh zwischen 3 Uhr und 4 Uhr nachts und 1,25€/kWh zwischen 13 Uhr und 14 Uhr. Für Frankreich wird auf dem Portal für den gleichen Tag eine Schwankungsbreite des Strompreises zwischen 0,07€/kWh in der Nacht und 1,33€/kWh zwischen 18 Uhr und 19 Uhr angegeben.

Der Umbau einer Nachfrageorientierung hin zu einer Nachfragesteuerung bietet den Energienetzbetreibern den Vorteil, dass man im Rahmen der politisch vorgegebenen „Energiewende“ deutlich weniger Speicherkraftwerke bauen muss, als wenn die Verbraucher über die Nutzung von Strom frei entscheiden könnten. Die Batterien der Elektroautos sollen ebenfalls eine wichtige Rolle im Rahmen des Smart Grid als regelbare Einheiten für Energieverbrauch und -speicherung spielen. Das oft gegen die Elektromobilität angeführte Argument, die Stromnetze würden zusammenbrechen, wenn am Abend nach der Arbeit 20 Millionen Bürger ihre Elektroautos aufladen, ist nach dem alten Paradigma der freien Verfügbarkeit von Strom gedacht.

Nach dem neuen Paradigma können die Autofahrer abends ihr Auto an die Ladesteckdose zwar anschließen. Die Aufladung erfolgt im Fall, dass ausreichend Strom zur Verfügung steht, im Laufe der Nacht dann aber zu einem vom digitalen Netz gesteuerten Zeitpunkt. Wenn nicht ausreichend Energie im Stromnetz verfügbar wäre, könnte es auch sein, dass das intelligente Stromnetz die Batterie des Autos entlädt und in das Netz einspeist, um einer Stromknappheit entgegenzuwirken. Dann bekäme der Autofahrer vielleicht am Morgen eine Nachricht auf seine Klima-App, dass das Auto ihm heute leider nicht zur Verfügung stehe. Er erhielte möglicherweise „komfortabel und praktisch“ von der App gleich mitgeteilt, wie er mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren könne. Vielleicht würde die App auch dem Arbeitgeber melden, dass sein Mitarbeiter heute nicht mobil sei und im Home-Office arbeiten müsse. Das Smart Grid soll auch den Verbrauch von Wirtschaftsunternehmen durch Lastverschiebung steuern. In dem genannten Wikipedia-Eintrag heißt es:

„Mit Einschränkungen bieten sich aber auch energieintensive industrielle Prozesse wie die Aluminiumherstellung per Elektrolyse, die Elektrostahlherstellung und der Betrieb von Zementmühlen und Lüftungsanlagen für Lastverschiebungen an (…) Die Steuerung kann entweder indirekt über den Preis oder direkt über Energieversorgung bzw. Netzbetreiber erfolgen; größere Unternehmen können auch direkt am Regelenergiemarkt handeln (…) Ein erhebliches Potential zur Lastverschiebung bieten auch Rechenzentren (…) Auf diese Weise könnten Systemkosten minimiert werden. Insgesamt wird für möglich gehalten, dass europäische Rechenzentren im Jahr 2030 ein Lastverschiebungspotential von einigen GW bis einigen Dutzend GW besitzen.“

Nach dem neuen Paradigma können energieintensive Betriebe vermutlich also nur dann arbeiten, wenn gerade genügend „grüne Energie“ zur Verfügung steht. Dazu wird eine sehr flexible Arbeitnehmerschaft notwendig sein, die je nach aktueller Energieproduktion kurzfristig zu Hause bleiben oder die Arbeit wieder aufnehmen kann. Durch ein universelles Grundeinkommen und staatliche Zuschüsse könnte es somit möglich gemacht werden, dass die von Minister Habeck prophezeite Option, dass Betriebe in Phasen der Energieknappheit einfach für einen gewissen Zeitraum die Arbeit einstellten ohne insolvent zu gehen, in eine zukünftige Realität umgesetzt werden kann.

Integration in den „European Green Deal“

Eingebettet ist der deutsche Gesetzentwurf in den EU-Aktionsplan zur Digitalisierung der Energiesysteme im Rahmen des „European Green Deal“. Damit soll die Energieinfrastruktur mittels Digitaltechnologien wie dem „Internet der Dinge“, künstlicher Intelligenz und 5G-Anbindung zukunftsfähig gemacht werden. Die EU geht davon aus, dass bis 2030 etwa 170 Mrd. Euro in die Digitalisierung der Energienetze investiert werden müssten. Sie strebt das Ziel an, spätestens ab 2024 einen „Europäischen Energiedatenraum“ zu schaffen, in dem die Daten aus den Energienetzen europaweit gesammelt und Drittparteien für Big Data-Anwendungen zur Auswertung verfügbar gemacht werden sollen.

Gleichzeitig plant die EU im Rahmen ihres Programms „Fit for 55“ in den nächsten Jahren Anreize für die Energieverbraucher zu setzen, den CO2-Verbrauch bis 2030 drastisch zu verringern. Das Ziel sei, bis 2030 55% des CO2-Ausstosses von 1990 zu erreichen. Im Lockdown-Jahr 2020 sei nur eine Reduktion von 34% zum Vergleichsjahr erreicht worden, so dass bis 2030 drastischere Maßnahmen erforderlich wären. Ab 2024 werde die Seeschifffahrt und ab 2027 Gebäude und der Straßenverkehr in den CO2-Emissionshandel einbezogen. Hierbei solle durch eine schrittweise Verknappung der Emissionszertifikate das Preisniveau für den Verbrauch fossiler Energieträger verteuert werden, so dass ein größerer finanzieller Anreiz für Verbraucher entstehe, auf „grüne“ und „smarte“ Technologien umzusteigen.

Einbettung in politische Transformationsagenden

Im August 2022 fand ein „Gespräch zur Transformation“ zwischen Bundesminister Habeck und der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen statt. Die taz zitierte aus dem Gespräch:

„Auch Robert Habeck spricht beim Talk zur ‘Transformation’ von Hoffnungszeichen. Der Umstieg der Industrie auf grünen Wasserstoff sei noch vor einem Jahr ein Wunsch der Politik gewesen. ‘Heute ist das marktgetrieben’, sagt er, ‘jede Kilowattstunde grünen Wasserstoffs ist billiger als Gas.’ Unter der Oberfläche von mehr Gas und Kohle gebe es in Europa ‘einen Hochlauf von klimaneutraler Technik und erneuerbaren Energien und Wasserstoff, wie wir ihn vor neun Monaten nicht hätten voraussehen können’. Wenn wir ‘klimapolitisch diesen und nächsten Winter überstehen’, werde die Energielandschaft deutlich verändert sein, schneller als eigentlich erwartbar. Habeck zitiert noch den Ökonomen Joseph Schumpeter, der von ‘schöpferischer Zerstörung’ spricht, die bei grundlegenden Veränderungen das Alte abstreift und dafür Neues schafft.“

Habeck kann den hohen Energiepreisen also durchaus positive Seiten abgewinnen, um die von ihm angestrebte Transformation einer Energiewende leichter umsetzen zu können. Es scheint somit eine Kollusion zu entstehen zwischen der durch politische Beschlüsse nach Beginn des Krieges in der Ukraine herbeigeführten Knappheit fossiler Energieträger und den Transformationszielen im Rahmen einer ausgerufenen „Klimakrise“. Die von Habeck und von der Leyen angestrebte Transformation stellt die Erfüllung von selbstgesetzten CO2-Einsparzielen kommunikativ in den Vordergrund und gibt das Ziel einer „dekarbonisierten Gesellschaft“ aus. Habeck hat in Interviews erklärt, dass die Ökonomin Mariana Mazzucato zu den Frauen gehöre, die sein Leben verändert hätten. Mazzucato tritt in ihren Schriften für einen starken Staat ein, der die Transformation der Gesellschaft vorantreibe. Sie wirbt für eine umfassende staatliche Kraftanstrengung wie die „Mondmission“ der 1960er Jahre in den USA, um eine Transformation der Digitalisierung und Dekarbonisierung schnell zu bewältigen.

Ein noch drastischeres Bild der Transformation verwendet die taz-Journalistin Ulrike Hermann in ihrem aktuellen Spiegel-Bestseller „Das Ende des Kapitalismus“. Sie schlägt vor, die Wirtschaft solle nach dem Vorbild der britischen Kriegswirtschaft im 2. Weltkrieg umgebaut werden. Zur Rettung des Klimas müsse aus Sicht der Autorin eine Planwirtschaft mit Rationierung von Produkten aufgebaut werden. Damals habe die britische Regierung privaten Unternehmen Rohstoffe, Kredite und Arbeitskräfte zugeteilt. Jeder Einwohner habe eine feste Menge an Lebensmitteln erhalten. „Luxusgüter“ wie Möbel oder Kleidung seien nur über ein persönliches „Punktebudget“ erwerbbar gewesen.

Im Rahmen einer staatlich gelenkten Transformation und Rationierung von knappen Gütern wären die „intelligenten Energienetze“ ein praktisches Mittel zur Steuerung und Zuteilung der verknappten Ressourcen Strom und Gas. Die Politik könnte Einteilung in systemrelevante und nicht-systemrelevante Branchen und Verbraucher vornehmen. Die Ressourcen könnten dann mittels Algorithmen rationiert werden. Der Baustein der digitalisierten Energienetze kann deshalb im Zusammenhang einer gesellschaftlichen Transformationsagenda eingeordnet werden, die politische Entscheidungsträger offen bewerben.

Die Bürger „motivieren“

Die Bürger werden naturgemäß nicht freiwillig ein neues Paradigma der Nutzung der Energieinfrastruktur annehmen, bei dem nicht mehr sie selbst im Mittelpunkt stehen, sondern ein technisches System, das an den Vorgaben politischer Entscheidungen, Zielsetzungen und Ideologien ausgerichtet ist. Auch gibt es keinen Grund auf neue Technologien umzusteigen, wenn man mit der bisherigen analogen Energieinfrastruktur zufrieden war. Wie ließen sich Bürger also „motivieren“ für den Umstieg auf digitalisierte Energienetze?

Eine schöpferische Zerstörung der alten Technologien könnte in diesem Zusammenhang durch die Bundesregierung durchaus als hilfreich empfunden werden. Nudging-Mechanismen wie zunächst ein allgemein stark gestiegenes Energiepreisniveau, das durch die Umstellung auf dynamische Energiepreise zu bestimmten Zeiten wieder gesenkt werden kann, könnte die Bereitschaft der Bürger zum Einsatz der Digitaltechnologie vermutlich erhöhen.

Auch durch die Ausweitung des CO2-Zertifikatehandels auf Gebäude und Straßenverkehr kann ein negativer Anreiz durch höhere Kosten für diejenigen geschaffen werden, die bei der Umstellung von Technologien und Verhaltensweisen nicht mitmachen möchten. Ein Forscher vom Potsdamer Institut für Klimafolgeforschung schlug jüngst ein persönliches CO2-Budget von 3 Tonnen je Person und Jahr vor, was eine Reduktion um 70% des aktuellen Durchschnittsverbrauchs der Bürger bedeuten würde. Ein individueller CO2-Zertifikatehandel könnte motivierend für Verhaltensänderung wirken, wenn man nicht über ausreichende finanzielle Ressourcen verfügt: „wer mehr braucht, muss es sich eben einkaufen“, so der Forscher. Habeck lehnt diesen Ansatz jedoch vorerst ab.

Nützliche Krisennarrative

Eine schnellere Transformation der Energienutzung ließe sich wohl vor allem durch Krisennarrative in der Bevölkerung durchsetzen. So brachten die Corona-Lockdowns die Digitalindustrie schnell voran bei der Einführung digitaler Technologien im Alltag der Bürger. In der Corona-Krise wurden zunächst globale Lockdowns durchgesetzt, unter denen vor allem der Teil der Bevölkerung litt, der noch nicht als „digital native“ lebte. Aufgesetzt auf die Erfahrung des Leids in den Lockdowns entstand in der Folge die Bereitschaft bei vielen Bürgern, einen aufgezeigten Ausweg der Anpassung an neue Technologien zu akzeptieren, den sie ohne die vorherige Erfahrung der Lockdowns vermutlich nicht akzeptiert hätten: Zugangskontrollen mit digitalen Zertifikaten, Nachteile für Verweigerer neuer Technologien und die Ausrichtung des individuellen Verhaltens an rasch wechselnde staatliche Vorgaben.

Welche Form einer Krisenerfahrung könnte Bürger also motivieren, ein neues Paradigma knapper Energieressourcen und die digitale Überwachung und Steuerung im Zuge deren Nutzung zu akzeptieren? Nach zunächst freiwilligen Appellen an die Bevölkerung zum Energiesparen könnten häufige, kontrollierte Stromabschaltungen oder mehrwöchige Blackouts auf Grund einer Energiemangellage im Zuge verknappter Energieressourcen und abgeschalteten, „nicht grünen“ Kraftwerken Leidensdruck erzeugen. Durch mediale Begleitung dieser Prozesse könnte eine „Einsicht“ in der Bevölkerung befördert werden, dass die alten analogen Energiesysteme verantwortlich seien und die Lösung ein neues digitales und intelligentes Energiesystem solche Leidenserfahrungen in Zukunft vermeiden könnten.

Wie in der Corona-Krise könnten Menschen ausdifferenziert werden nach kooperativen Bürgern, die bereits die neue Smart-Meter-Technologie bei sich installieren lassen haben und zumindest zu manchen Zeiten wieder Elektrizität nutzen können und nicht-kooperativen Bürgern, die dann „selbstverschuldet“ mit ihren analogen Energieanschlüssen womöglich häufigen Stromabschaltungen in der Winterzeit ausgesetzt wären. In einer voll ausgebauten Stufe des „digitalisierten Energiesystems“ dürfte es zudem keine Schwierigkeit sein, nicht nur Banken davon zu überzeugen, dass sie mit politisch unkooperativen Bürgern besser keine Geschäfte betreiben sollten, sondern auch Energieversorger davon zu überzeugen, diesen den Strom-, Gas- oder Wasseranschluss per digitalem Steuerimpuls abzuschalten.

Die hier dargestellten Negativszenarien sind spekulativ und müssen nicht eintreten. Digitale Technologien sind ein Werkzeug und können somit auch zum Wohle der Menschen eingesetzt werden. Wenn sie an den Bedürfnissen der Bürger orientiert sind, werden sie freiwillig übernommen. Technologien jedoch, die der Bevölkerung im Rahmen von Krisenszenarien als „alternativlos“ aufgedrängt werden, dürften an anderen Interessen ausgerichtet sein, als an denen der Bürger.

Kontroverse Diskussion notwendig

Eine bessere Auslastung der Netze durch Anpassung von verschiebbarem Energieverbrauch erscheint vernünftig. Die Warmwasserbereitung in Boilern mit ausreichend großem Wasserspeicher kann dafür ein Anwendungsfeld sein. Entscheidend ist es jedoch, dass Endverbraucher die Kontrolle über ihre Hausanschlüsse behalten und frei wählen können, ob sie an digitalen Steuerprozessen aus dem Netz teilnehmen möchten. Eine Möglichkeit könnte die Vorgabe sein, dass Funktionen zur Datenübermittlung (jenseits der Verbrauchsabrechnung) und Fernabschaltung durch den Kunden am Smart Meter deaktivierbar sein müssen.

Manche angestrebte Funktionen der Lastverschiebung erscheinen auch umsetzbar über eine Vorgabe, dass Geräte mit hohem Stromverbrauch über eine vom Nutzer einstellbare Zeitschaltuhr verfügen müssen. Hilfreiche Datenauswertungen können zudem in vielen Fällen auch dezentral unter hohen Datenschutzstandards vorgenommen werden, anstatt Daten europaweit zentral zu sammeln und Drittparteien zur Analyse zur Verfügung zu stellen.

Die Abhängigkeit der Infrastruktur von einer Technologie, die nur noch von wenigen Spezialisten verstanden und gewartet werden kann, wirft zudem machtpolitische Fragen auf. So sind die Pläne der Bundesregierung für die Ausrichtung des BSI nach Absetzung des bisherigen Chefs noch unklar, gerade auch wie das im Gesetzentwurf genannte Ziel einer besseren „Steuerungsmöglichkeit“ des BSI durch das Wirtschaftsministerium bei den Themen der Energiewende ausgestaltet werden wird.

Außerdem sind Zweifel angebracht, ob die Ziele einer besseren Einbindung des BSI in politische Agenden und einer Zusammenführung von Verbrauchsdaten in einen Datenraum mit dem Ziel des Schutzes der Infrastruktur vor Cyberangriffen in Einklang zu bringen sein wird. Was insgesamt fehlt, ist Transparenz, vor allem darüber, welche neuen Risiken durch vernetzte Hausanschlüsse entstehen werden, wer die Spezifikationen für Smart Meter festlegt, wer die Algorithmen für das intelligente Stromnetz entwickelt und wer Zugang zu den Steuerungsprogrammen bekommt.

Eine kontroverse Diskussion über mögliche Auswirkungen der von EU und Bundesregierung geplanten digitalisierten Energienetze wäre wichtig, um die Interessen der Bürger bezüglich der Technologie zu berücksichtigen und das Vertrauen der Bevölkerung in Transformationsprozesse zu erhöhen. Wenn Transformationsagenden ohne öffentliche Diskussion der Nachteile für die Bürger als „zwingend notwendig“ für ein höheres Ziel wie den „Klimaschutz“ versucht werden durchzusetzen, dann ist ein Dialogprozess über die unterschiedlichen Annahmen, Menschenbilder und Ideologien in der Gesellschaft um so notwendiger.

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